03.07.2022 – Catalina Vicens und ihr Vokalensemble »Servir Antico« aus Basel

Catalina Vicens in der Schloßkirche St. Michael

Pforzheimer Zeitung vom 05.07.2022:

Musik nach Reuchlins Notation

Renaissanceprogramm des Ensembles Servir Antico mit „Genesis“ von CatalinaVicens.

Im Reuchlinjahr Musik hören zu können, die auf Notationen des Humanisten selbst beruht, ist etwas ganz Besonderes. Und so freute sich Pfarrerin Heike Reisner-Baral, das Vokalensemble Servir Antico unter Leitung von Catalina Vicens in der Schloßkirche begrüßen zu können. Etwa 50 Zuhörer, darunter Rami Suliman, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Pforzheim und Mitglied im Direktorium des Zentralrates der Juden in Deutschland, lauschten dem außergewöhnlichen Konzert mit A-capella-Renaissancemusik. Die chilenische Musikerin Catalina Vicens, die jüdisch-christliche Wurzeln hat, schrieb ihre Vokalkomposition „Genesis“ 2015 als Auftragswerk, das erstmals 2016 in der Woche der Brüderlichkeit zu hören war. Als Klangin-stallation kann man es während des ganzen Reuchlinjahres im Stiftschor erleben. Vicens hat Klangbeispiele traditionellen jüdischen Kantorengesangs (im Tenor), die Reuchlin 1518 seiner Sprachlehre zur hebräischen Sprache angefügt hatte, mit drei Stimmen er-weitert und damit eine in der damaligen synagogalen Praxis undenkbare Polyphonie er-zeugt. Reuchlins Intention bei seinen Notationen war es wohl, wie Christoph und Sonny Timm erläuterten, christliche Studenten an die hebräische Sprache heranzuführen und das Erlernen mit Singen zu erleichtern. So folgt die Musik auch konsequent der Sprache.
Alice Borciani (Sopran), Eugénie De Mey (Alt), Giovanni Cantarini (Tenor) und Lorenzo Tosi (Bass) sangen unter der Leitung von Catalina Vicens die „Genesis“ (Schöpfungsgeschichte im ersten Buch Mose) in zwei Blöcken. Beeindruckend die klaren, kräftigen auch im Ensemble quasi solistisch eingesetzten Stimmen.

Anonyme Klagelieder

Ergänzt wurde das Programm durch „Lauda Jerusalem (Psalm 147)“ von Juan Miguel Navarro „Hispalensis“ (etwa 1530–1580), „Die minne es al“ von der Beguine Hadewijch (13. Jahrhundert), ein Solo von Altistin Eugénie De Mey, die Horaz-Epode XVI „Altera iam territur“ von Petrus Tritonius (1465–1525) und die anonymen Klagelieder „Lamenta-tio Jeremiae“ (15. Jahrhundert) sowie „Pace non truovo“ nach Petrarca (16. Jahrhundert), ein Solo von Tenor Giovanni Cantarini.

Uta Volz, PZ