03.07.2022 – Zentraler Festgottesdienst mit der Friedensgemeinde zum 500. Todestag von Johannes Reuchlin

Museum Johannes Reuchlin

Pforzheimer Zeitung vom 03.07.2022:

Gegen Lüge, Hass und Hetze – damals wie heute

Zentraler Gottesdienst in der Schlosskirche zum Reuchlinjahr mit Botschaft und eigener Komposition.

Anlässlich des 500. Todestags von Johannes Reuchlin hat in der Pforzheimer Schlosskirche ein zentraler Festgottesdienst mit Dekanin Christiane Quincke und Pfarrerin Heike Reisner-Baral stattgefunden. Gwendolyn Phear (Orgel) und Nigel Treherne (Oboe) haben die Veranstaltung musikalisch begleitet. Dabei ist auch ein Musikstück von Nigel Treherne uraufgeführt worden. Die Predigt drehte sich im Wesentlichen um das Erkennen von Wahrheit und das Einstehen für Wahrheit. Als Ausgangspunkt diente die Bibelstelle, in der Jesus eine Ehebrecherin vorgestellt wird. Bekannt ist seine Antwort: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie“. „Jesus nötigt die Aufgebrachten zu einem Wechsel der Perspektive“, stellte Dekanin Quincke in ihrer Predigt fest. „Nun merken die Männer, dass sie gefangen waren zwischen schwarz und weiß.“ Pfarrerin Reisner-Baral führte die Margarethen-Legende um ein zu Tode gekommenes Kind an. Sie berichtete, dass damals Juden kollektiv dafür verantwortlich gemacht und auch getötet wurden. „Genau solche Verschwörungstheorien gingen in den nächsten Jahrhunderten weiter“, ergänzte sie und berichtete, dass auch Reuchlin nicht frei von antisemitischem Argwohn gewesen sei. „Doch Reuchlin ist Humanist, ihn treibt die Suche nach der Wahrheit um. Nicht umsonst ist er Jurist.“ Aus dem Hintergrund erklang mehrmals die Stimme von Kunsthistoriker Christoph Timm, der zwischendurch Zitate von Reuchlin vortrug. Daraus ging hervor, dass sich Reuchlin damals gegen die Verbrennung jüdischer Schriften ausgesprochen habe. „Die Wahrheit hat ihn befähigt, sich den Fake News seiner Zeit entgegenzustellen“, sagte Quincke. „Verschwörungstheorien haben ja heute wieder Konjunktur.“ Sie erinnerte daran, dass auch immer wieder Demonstranten an der Schlosskirche vorbeizögen, die von westlicher Hetze sprechen, obwohl es Putin sei, der der Ukraine den Krieg gebracht hat. „Hier wird Wahrheit gedreht und verbogen. Reuchlin würde sich im Grabe umdrehen“, sagte Quincke.
Dabei gehe es nicht darum Recht zu haben, sondern Menschen ein Leben zu ermöglichen. „Hoffentlich wissen wir wie Reuchlin, wann wir für die Wahrheit einstehen müssen“. Im Rahmen der dreigeteilten Predigt kam auch das neue Musikstück „Lux Lucebit“ von Nigel Treherne zu Gehör, das Gwendolyn Phear auf der Orgel präsentierte. Sie entlockte dem Instrument sowohl bedrohlich, bombastische als auch zarte Töne. Für die musikalische Begleitung gab es am Ende des Gottesdienstes verdienten Applaus.

Claudia Keller, Pforzheimer Zeitung