Im frühen 20. Jahrhundert startete Pforzheims Stadtarchivar Alfons Kern ein ambitioniertes Projekt: Er baute eine Sammlung von Reuchlins Werken und dessen literarischem Umfeld auf. Die Idee dahinter: Die Goldstadt sollte in kultureller Hinsicht mit Reuchlin glänzen. 1922, im vierten Jahr der Weimarer Republik, präsentierte der Stadtarchivar diese Sammlung anlässlich von Reuchlins 400. Todestag an prominentem Ort erstmals der Öffentlichkeit. Mehrere Wissenschaftler stellten zudem in einer Festschrift neue Forschungserkenntnisse vor.
»Pforzheims Bürgerschaft will selbstredend Reuchlins 400. Todestag nicht vorübergehen lassen, um seinem größten Sohne die wohlverdiente Ehrung zu erweisen«, hieß es damals im »Pforzheimer Anzeiger«. Neben der offiziellen Feier im Saalbau gab es 1922 Gedenkveranstaltungen in der Synagoge, im Lutherhaus und an mehreren Schulen. Zwei Jahre später öffnete das »Reuchlinmuseum« am Schloßberg die Türen. Doch weder dieses Museum noch die Weimarer Republik sollten Bestand haben: Die ungeschützten Sammlungsbestände und das Gebäude fielen am 23. Februar 1945 dem furchtbaren Luftangriff zum Opfer, der mit vernichtender Wucht die Innenstadt traf.
Christoph Timm