Reuchlin-Soirée bei der Deutsch-Französischen Gesellschaft in Pforzheim
Was macht die Faszination aus bei einem Menschen, der auf so vielen Gebieten erfolgreich geistig tätig war wie Johannes Reuchlin, er schrieb Grammatiken in griechischer und hebräischer Sprache sowie Theaterstücke auf Lateinisch, wie z.B. Henno. Noch im Mittelalter geboren, war er doch ein Kind des Geistes der Renaissance und ein Zeitgenosse des berühmten Humanisten Erasmus von Rotterdam. Und natürlich der berühmte Lehrer des Philipp Melanchthon aus Bretten, dem späteren Reformator und engen Gefährten Martin Luthers. Johannes Reuchlins 567. Geburtstag am 29. Januar wurde in diesem Jahr unter anderem mit einem besonderen Festgottesdienst in der evangelischen Schlosskirche begangen.
Auf jeden Fall hatte Reuchlin wohl auch musikalische Fähigkeiten und eine schöne Stimme: Bei Aufführungen im Chor im markgräflichen Schloss hatte er wohl öfters gesungen. Schon als Junge besuchte er in Pforzheim die Lateinschule. Er hatte zwei Geschwister, seine Schwester hieß Elisabeth, sein Bruder trug den interessanten Namen Dionysios. Was faszinierte diesen klugen Kopf denn so an Frankreich, dass er beinahe sein gesamtes Rechtsstudium dort absolvierte, nachdem er von 1447 bis 1477 in Basel die sieben Freien Künste studiert und den Baccalaureus Titel und Magister Artium erworben hatte? Waren es der gute Ruf der Universitätsstadt Paris, die schönen Mädchen oder die nahrhafte Kost dort?
Dieser interessanten und schwierigen Frage näherten sich die vier klugen Referentinnen der Reuchlin-Soirée, die am Dienstagabend im Musikzimmer des Hildagymnasiums auf kundige und differenzierte Weise in französischer Sprache einen Überblick über die Studienjahre von Johannes Reuchlin in Frankreich gegeben haben. Bernhilde Starck, die die Veranstaltung konferierte, eröffnete charmant den Abend und sie begrüßte zuerst auf Französisch die neue Präsidentin Ariane Steglich, den Reuchlinbeauftragten der Stadt Pforzheim Dr. Christoph Timm und seiner Ehefrau Sonny Timm sowie die übrigen anwesenden Mitglieder der Deutsch-Französischen Gesellschaft in Pforzheim und die doch ganz passable Anzahl der Zuhörer und Zuhörerinnen.
Weiter ging es dann mit einem Überblick über die geistige Bildung des Johannes Reuchlin, ebenfalls in sehr guter französischer Sprache, dessen Studienjahre in Frankreich 1473, 1478 in Paris, 1479 bis 1480 in Orléans und 1480 bis 1481 in Poitiers dann nacheinander von den drei Referentinnen Colette Herber, Ariane Steglich und Waltraud Schmidt trefflich resümiert wurden. Mithilfe dreier Präsentationen und Karten konnte man so den Weg Reuchlins und seine Reisewege in Frankreich und Europa gut nachvollziehen.
Anlass der ersten Studienreise nach Paris war wohl die Tatsache, dass der 15 jährige Prinz Friedrich zum Studium in die Hauptstadt reiste und den bereits 18jährigen Reuchlin als Reisebegleiter mitnahm. In diesem Jahr hat er natürlich neben den berühmten Griechisch-Kenntnissen auch seine Französischkenntnisse vertieft und die wichtige Bekanntschaft mit Herrn Johannes Heynlin gemacht. In seinem zweiten Jahr in Paris dann hat er vermutlich Vorlesungen gehalten, seine Schreibfertigkeit in Griechisch vervollkommnet und sich seinen Lebensunterhalt als Griechischlehrer für entsprechend wohlhabende Schüler und Studierende verdient.
Die wohlhabenderen Studierenden, die es sich leisten konnten, auch in ferneren Ländern zu studieren, reisten damals von Stadt zu Stadt, wo sie eben die berühmtesten und besten Universitäten fanden, bekannt als „fahrende Scholaren“. Das Studienprogramm ERASMUS wird ja von der Europäischen Union schon seit 35 Jahren und bis heute finanziert.
In Orléans studierte Johannes Reuchlin römisches Zivilrecht und erhielt im Laufe des Jahres 1479 den Titel „Baccalaureus der Rechte“. Ab diesem Zeitpunkt war er dazu verpflichtet, Vorlesungen im Fach „Recht“ zu halten. Aber er war auch weiterhin als Lehrer für junge Adelige tätig. Orléans war ein beliebter Studienort, an dem viele Nationen gemeinsam studierten. Im Januar 1480 wurde Reuchlin zum Prokurator der Studenten der deutschen Nation gewählt, die in Orléans einen guten Ruf hatte. An der Eliteuniversität in Poitiers verdiente sich der Gelehrte dann die Sporen für seine Verwaltungstätigkeit. Dass er schneller zum Studienabschluss kam als die meisten anderen Mitstudierenden, hörte die Zuhörerschaft mit Erstaunen: Reuchlin erreichte das Pensum, für das andere drei Jahre brauchten, bereits nach einem Jahr und bekam am 14. Juni 1481 das Lizentiatendiplom.
Im Nu verging die Zeit mit diesen interessanten Fakten und ich möchte mit Goethes Worten diesen Geist charakterisieren, der später dann an der Universität in Tübingen lehrte: „Reuchlin, wer wollte sich ihm vergleichen, für seine Zeit ein Wunderzeichen!“ Tatsächlich gibt es eine Oper gleichen Namens, komponiert von Marc Andre, die 2014 in Stuttgart an der Oper erfolgreich uraufgeführt wurde.
Im Handout konnte man dann die verschiedenen Veröffentlichungen von Reuchlin auf Deutsch nochmals genauer nachlesen. Es gab dann noch einige Fragen der interessierten Zuhörerschaft nach der Klanginstallation „Genesis“, die der Reuchlinbeauftragte Dr. Timm als hörenswert empfahl, und zu der es im Rahmen des Jubiläumsprogramms am 12. März um 10.30 Uhr im Reuchlinmuseum eine besondere „Entdeckungsreise“ geben wird.
Insgesamt war dies ein sehr kultivierter und kulturreicher Abend, der sich auf jeden Fall gelohnt hat. Entsprechend dankten die Zuhörer den Damen von der Deutsch-Französischen Gesellschaft gebührend.
Nun zum Schluss soll Reuchlin selbst aber auch nochmal zur Sprache kommen mit dem wunderschönen Zitat aus der Kunst der Kabbala von 1517:
„Wir sind ja nicht nur für uns selbst auf der Welt. Einen Teil leihen wir unseren Freunden.“
In diesem Sinne herzliche Einladung zu den zahlreichen und hochinteressanten Veranstaltungen zu Johannes Reuchlin in Pforzheim im Laufe des Jahres 2022. Das Jahresprogramm ist so reichhaltig, dass für jedermann das Richtige dabei ist: Neben tollen Themen-Gottesdiensten gibt es natürlich auch einige Angebote für Familien mit Kindern und sogar einen Stadtrundgang in Arabischer Sprache.
Ein Bericht von Sonja Honold, Deutsch-Französiche Gesellschaft Pforzheim