Annäherung durch Licht und Schatten

Bild aus der Ausstellung des Museum Johannes Reuchlin

Pforzheimer Zeitung vom 04.02.2022:

Studierende präsentieren Ausstellung in der Galerie Brötzinger Art.
Sie zeigen faszinierende fotografische Kommentare zu Johannes Reuchlin.

Menschlichkeit, ein Verständnis für den Anderen, Reuchlins Sensibilität für Übersetzungen und sein Interesse an Mystik – das sind Themen, die Studierende der Hochschule Pforzheim fotografisch in Bilder übersetzt haben. Den 500. Todestag Johannes Reuchlins, den die Stadt Pforzheim in diesem Jahr feiert, nahmen sie im Fach künstlerische Fotografie an der Fakultät für Gestaltung zum Anlass, sich – ausgehend von der Max Brod’schen Biografie – näher mit dem großen Humanisten zu beschäftigen. Fünf Studenten präsentieren ihre Ergebnisse ab diesem Freitagabend in der Galerie Brötzinger Art. Ihre großteils konzeptuellen Arbeiten zeigen: Die Vergangenheit, die scheinbar in historischer Ferne liegt, wird bei genauerem Hinsehen vertrauter als erwartet.
„Wie kann man Reuchlin heute sehen? Was macht ihn wertvoll?“ Diese Ausgangsfragen diskutierte Professorin Silke Helmerdig mit mehr als 60 Studierenden. Fünf davon stellen nun in der Galerie an der Brunnenstraße aus, weitere Arbeiten werden am 11. und 12. Februar im Rahmen der Werkschau in der Fakultät an der Holzgartenstraße zu sehen sein.
Im Eingangsbereich der Galerie wirkt die künstlerische Annäherung an den Philosophen zunächst überraschend düster. Schwarze Flächen mit einzelnen Illuminierungen: An eine Zeit zwischen Licht und Schatten erinnern die abstrakt-reduzierten Bilder von Christian Nemnich. „Mich hat interessiert, wie Reuchlin sich von seinem Umfeld entfernt und sich isoliert hat“, sagt der Modestudent. Die Stimmung dieses Exils transportiert er ins Heute, in eine Art Parallelwelt der Nacht, in der Reuchlin früher seine Schriften verfasst hat. Für den aus Wiesbaden stammenden Studenten war es interessant, sich mit Pforzheims berühmten Sohn zu befassen. Er fühle sich der Stadt nun näher, vorher hatte er mit Reuchlin „wenig am Hut“.

Mystische Traum-Szenarien

Mystische, unheimliche Traum-Szenarien: Ebenfalls mit Licht und Schatten arbeitet Tim Kreisel vom Studiengang Visuelle Kommunikation. In manchen seiner cineastischen, erzählerischen Motive kann man Pforzheim erkennen. „Ursprung war für mich die Angst vor dem Unbekannten, die Reuchlin geprägt hatte“, erzählt Kreisel. Architektur bei Nacht und menschenleere Landschaften erzeugen Stimmungen von Einsamkeit und Melancholie.
Sandro Jag findet einen fotografischen Ausdruck für menschliche Nähe. Er hat die Hand-Innenflächen von zehn Generationen festgehalten, vom Baby bis zum über 100-Jährigen. In den Biografien zeichnen sich die Linien des Lebens ab – ein Symbol für Reuchlins humanistisches Thema.

Von Lyrik inspiriert

Von Reuchlins Werk als Übersetzer ließt sich Carl Eller inspirieren. Er suchte sich in Deutschland geschriebene hebräische Gedichte aus, griff deren teils sehr gefühlvollen Worte auf und schuf vielfältige, meist analog fotografierte Motive. Samuel Wolf befragt schließlich auf emotionale, bisweilen augenzwinkernde Weise den Begriff „Frieden“: mit einer Taube als Symbol oder mit Licht, das in ein Zimmer fällt.
Die Ausstellung „Fotografische Kommentare zu Johannes Reuchlin“ in der Galerie Brötzinger Art, Brunnenstraße 14, in Pforzheim wird am Freitag, 4. Februar, 18.30 Uhr eröffnet. Sie ist bis 27. Februar zu sehen: donnerstags von 15 bis 18 Uhr, freitags und samstags von 18.30 bis 22 Uhr sowie sonntags von 11 bis 18 Uhr.

Michael Müller, Pforzheimer Zeitung