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Reuchlinjahr 2022

Reuchlinjahr 2022

Mit dem Reuchlinjahr 2022 feiert Pforzheim ein Jubiläum zum Mitmachen für die ganze Stadtgesellschaft. Die Botschaften des Humanisten und Anwalts der Menschenrechte sind heute noch hoch aktuell.

Reuchlins Werten auf der Spur

08.07.2022

„Reuchlins Werten auf der Spur“ ist ein Videoprojekt des TheoPrax-Seminarkurses des Reuchlin-Gymnasiums in Kooperation mit der Löblichen Singergesellschaft von 1501 Pforzheim. Kinder und Jugendliche sowie Persönlichkeiten der Pforzheimer Stadtgesellschaft sprechen im Interview über die Bedeutung von Reuchlins Werten heute. Die Filmprämiere fand am 07.07.2022 um 18 Uhr im Kommunalen Kino in Pforzheim statt. Den ganzen Film finden Sie ab sofort in unserer Jubiläumschronik.

Rückblick: 9. Internationaler Reuchlin-Kongress

05.07.2022

Rund um Johannes Reuchlins Todestag am 30. Juni fand der 9. Internationale Reuchlin-Kongress zum Thema „Phönix Reuchlin 1522/2022“ statt.
Am 29. Juni 2022 eröffneten Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch und der wissenschaftliche Leiter des Kongresses Matthias Dall’Asta (Heidelberger Akademie der Wissenschaften) die Tagung im Gasometer Pforzheim.
In seiner Eröffnungsrede referierte Prof. Dr. Dr. Christoph Markschies (Berlin) über „Christliche Blicke auf Judentum und Islam bei Reuchlin und heute“ und begeisterte die zahlreichen Besucher:innen.
Dieser und alle weiteren Vorträge des Kongresses wurden vom Team des Kulturamts aufgezeichnet und stehen Ihnen in unserer Jubiläumschronik zur Verfügung.

Pforzheimer Zeitung vom 05.07.2022:

Musik nach Reuchlins Notation

Renaissanceprogramm des Ensembles Servir Antico mit „Genesis“ von CatalinaVicens.

Im Reuchlinjahr Musik hören zu können, die auf Notationen des Humanisten selbst beruht, ist etwas ganz Besonderes. Und so freute sich Pfarrerin Heike Reisner-Baral, das Vokalensemble Servir Antico unter Leitung von Catalina Vicens in der Schloßkirche begrüßen zu können. Etwa 50 Zuhörer, darunter Rami Suliman, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Pforzheim und Mitglied im Direktorium des Zentralrates der Juden in Deutschland, lauschten dem außergewöhnlichen Konzert mit A-capella-Renaissancemusik. Die chilenische Musikerin Catalina Vicens, die jüdisch-christliche Wurzeln hat, schrieb ihre Vokalkomposition „Genesis“ 2015 als Auftragswerk, das erstmals 2016 in der Woche der Brüderlichkeit zu hören war. Als Klangin-stallation kann man es während des ganzen Reuchlinjahres im Stiftschor erleben. Vicens hat Klangbeispiele traditionellen jüdischen Kantorengesangs (im Tenor), die Reuchlin 1518 seiner Sprachlehre zur hebräischen Sprache angefügt hatte, mit drei Stimmen er-weitert und damit eine in der damaligen synagogalen Praxis undenkbare Polyphonie er-zeugt. Reuchlins Intention bei seinen Notationen war es wohl, wie Christoph und Sonny Timm erläuterten, christliche Studenten an die hebräische Sprache heranzuführen und das Erlernen mit Singen zu erleichtern. So folgt die Musik auch konsequent der Sprache.
Alice Borciani (Sopran), Eugénie De Mey (Alt), Giovanni Cantarini (Tenor) und Lorenzo Tosi (Bass) sangen unter der Leitung von Catalina Vicens die „Genesis“ (Schöpfungsgeschichte im ersten Buch Mose) in zwei Blöcken. Beeindruckend die klaren, kräftigen auch im Ensemble quasi solistisch eingesetzten Stimmen.

Anonyme Klagelieder

Ergänzt wurde das Programm durch „Lauda Jerusalem (Psalm 147)“ von Juan Miguel Navarro „Hispalensis“ (etwa 1530–1580), „Die minne es al“ von der Beguine Hadewijch (13. Jahrhundert), ein Solo von Altistin Eugénie De Mey, die Horaz-Epode XVI „Altera iam territur“ von Petrus Tritonius (1465–1525) und die anonymen Klagelieder „Lamenta-tio Jeremiae“ (15. Jahrhundert) sowie „Pace non truovo“ nach Petrarca (16. Jahrhundert), ein Solo von Tenor Giovanni Cantarini.

Uta Volz, PZ

Pforzheimer Kurier vom 03.07.2022:

Schmuckschaffende machen Pforzheim einzigartig

Bei Schmuck plus geht es um künstlerische Gestaltungen und einen der bekanntesten Söhne der Stadt

Im alten, aber womöglich bald neu genutzten, Schlachthof von Pforzheim ist manches Potenzial schon gehoben. Dies bestätigen beim zweitägigen Auftritt von „Schmuck plus“ die weitgereisten unter den 40 Ausstellerinnen und Ausstellern. Während sich Pforzheim daran erfreut, dass die noch junge Sektion Schmuck im Kulturrat der tot geglaubten Plattform für Schmuckgestalter neues Leben verleiht, unterstreichen die Gäste das Bedeutende daran: Allein das einzig auf Schmuck ausgerichtete Angebot hat Alleinstellungscharakter in der Republik.
Für Rainer Söll kommt ein zweiter Aspekt hinzu. „Die Leute waren so aufgeschlossen“, begründet er, weshalb er mit seinen Schrumpfschläuchen und anderen zu dekorativen Zwecken „umgedeuteten Materialien“ bereits zum zweiten Mal aus Hannover angereist ist. Martina Ege aus Baltringen bei Ulm bestätigt dies. Die Goldschmiedin erzählt, sie habe sich zunächst nicht vorstellen können, dass das läuft bei so viel Konkurrenz.
Der nun zweite Auftritt im rauen Industrieambiente habe sie überzeugt, wie „ihre ganz besonderen Teile angekommen sind“, die sie neben traditionellem Goldschmuck zeigt: Es gab Fachgespräche über die stacheligen, gelegentlich bunten Silberstücke für Hals und Finger „und der Umsatz hat auch gepasst“. Das Feedback ist Balsam für die kleine Gruppe um Kerstin Mayer, die die Ausstellung ermöglicht und in diesem Jahr mit dem 500. Todestag von Johannes Reuchlin am 30. Juni verbindet. Sie ist „sehr glücklich, wieder im Schlachthof als idealen Ort für die Ausstellung sein zu dürfen“.
Schirmherrin, Bürgermeisterin Sibylle Schüssler (Grüne), nutzt die Gelegenheit, die Zukunft in den Blick zu nehmen. Sie stellt bei der Eröffnung das Kuratorenteam für die Ornamenta vor, das mit dem „Body Light“ von Szilvia Zita Rémiás aus Budapest schon ein Objekt für die 2024 geplante Gemeinde Databrunn ausgemacht hat. Die Brosche mit LED-Beleuchtung am Stand der Freunde des Schmuckmuseums „begrüßt“ die Besucher der Ausstellung. Sie ist bei Weitem nicht das einzige futuristische Stück, bezogen auf die Zukunft der Pforzheimer Schmuckindustrie. Die Goldschmiedeschule trägt im Raum neben ihrem Schlachthof-Atelier mit Preziosen dick auf, in einer der Sheddachhallen ist die Hochschule Trier mit 24 Masterarbeiten vertreten. Maiskörner zeigen in dieser kleinen Sonderausstellung, dass die Kunst des Schmückens auch in der Welt edler Steine hochkarätig sein kann, ohne dass Karat eine Rolle spielen. Dem morbiden Charme der Schlachthofreste setzt Christian Gutmann etwas entgegen. Der Pforzheimer gehört zu den wenigen, die sich für eine Sonderausstellung mit Reuchlin auseinandergesetzt hat. Das Wort „Human“ (menschlich) ziert nur die eine Seite seiner Arbeit, auf der anderen steht „Animal“ (Tier).
Für die Berlinerin Katharina von Briskorn ist das „alles sehr inspirierend“. Sie erlebt eine Premiere, nachdem sie normalerweise nur im Umfeld von Kunsthandwerkern ausstellt. Dass das nicht zu einem monothematischen Ereignis mit Verkaufsoption wird, ist nicht nur der Musikinitiative Pforzheim und Enzkreis zu verdanken. Durch die Kooperation erlebt der alte Schlachthof seinen ersten Bach, wie Christof Grosse von der Genossenschaft Gewerbekultur anmerkt, die das Areal für Wohnzwecke entwickelt. Geigerin Hanlin Liang vom Jade-Quartett spielt zur Eröffnung dessen G-Moll-Solosonate. Später begleiten sie und andere Musiker das Publikum, das beim Rundgang auch Fotografisches erlebt. So sehen die teils von weit angereisten Besucher unter anderem von Jens Alemann großformatige Aufnahmen sogenannter Lost places – verlassener Orte, zu denen auch der alte Pforzheimer Schlachthof lange gehörte.

Edith Kopf, PZ

Pforzheimer Zeitung vom 03.07.2022:

Gegen Lüge, Hass und Hetze – damals wie heute

Zentraler Gottesdienst in der Schlosskirche zum Reuchlinjahr mit Botschaft und eigener Komposition.

Anlässlich des 500. Todestags von Johannes Reuchlin hat in der Pforzheimer Schlosskirche ein zentraler Festgottesdienst mit Dekanin Christiane Quincke und Pfarrerin Heike Reisner-Baral stattgefunden. Gwendolyn Phear (Orgel) und Nigel Treherne (Oboe) haben die Veranstaltung musikalisch begleitet. Dabei ist auch ein Musikstück von Nigel Treherne uraufgeführt worden. Die Predigt drehte sich im Wesentlichen um das Erkennen von Wahrheit und das Einstehen für Wahrheit. Als Ausgangspunkt diente die Bibelstelle, in der Jesus eine Ehebrecherin vorgestellt wird. Bekannt ist seine Antwort: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie“. „Jesus nötigt die Aufgebrachten zu einem Wechsel der Perspektive“, stellte Dekanin Quincke in ihrer Predigt fest. „Nun merken die Männer, dass sie gefangen waren zwischen schwarz und weiß.“ Pfarrerin Reisner-Baral führte die Margarethen-Legende um ein zu Tode gekommenes Kind an. Sie berichtete, dass damals Juden kollektiv dafür verantwortlich gemacht und auch getötet wurden. „Genau solche Verschwörungstheorien gingen in den nächsten Jahrhunderten weiter“, ergänzte sie und berichtete, dass auch Reuchlin nicht frei von antisemitischem Argwohn gewesen sei. „Doch Reuchlin ist Humanist, ihn treibt die Suche nach der Wahrheit um. Nicht umsonst ist er Jurist.“ Aus dem Hintergrund erklang mehrmals die Stimme von Kunsthistoriker Christoph Timm, der zwischendurch Zitate von Reuchlin vortrug. Daraus ging hervor, dass sich Reuchlin damals gegen die Verbrennung jüdischer Schriften ausgesprochen habe. „Die Wahrheit hat ihn befähigt, sich den Fake News seiner Zeit entgegenzustellen“, sagte Quincke. „Verschwörungstheorien haben ja heute wieder Konjunktur.“ Sie erinnerte daran, dass auch immer wieder Demonstranten an der Schlosskirche vorbeizögen, die von westlicher Hetze sprechen, obwohl es Putin sei, der der Ukraine den Krieg gebracht hat. „Hier wird Wahrheit gedreht und verbogen. Reuchlin würde sich im Grabe umdrehen“, sagte Quincke.
Dabei gehe es nicht darum Recht zu haben, sondern Menschen ein Leben zu ermöglichen. „Hoffentlich wissen wir wie Reuchlin, wann wir für die Wahrheit einstehen müssen“. Im Rahmen der dreigeteilten Predigt kam auch das neue Musikstück „Lux Lucebit“ von Nigel Treherne zu Gehör, das Gwendolyn Phear auf der Orgel präsentierte. Sie entlockte dem Instrument sowohl bedrohlich, bombastische als auch zarte Töne. Für die musikalische Begleitung gab es am Ende des Gottesdienstes verdienten Applaus.

Claudia Keller, Pforzheimer Zeitung

Pforzheimer Zeitung vom 02.07.2022:

Geschichtsstunde live zu später Stunde bei „Zur Nacht“ der Citykirche. Schauspieler, Sänger und Musiker schlüpfen in historische Rollen.

Johannes Reuchlin ist am Freitagabend in der Pforzheimer Schlosskirche erschienen. Vier Darsteller vom Kulturhaus Osterfeld und die Musik von Schola Gregoriana aus Stuttgart haben den Besuchern eine Reise in längst vergangene Zeiten ermöglicht.
„Seid gegrüßt frommes Volk. Zu so später Stunde noch in meiner Schlosskirche?“, so Johannes Reuchlin, der vom Lettner herab die knapp 30 Besucher begrüßte. In der Rolle von Reuchlin erzählte Peter Lauber aus Leben des in Pforzheim geborenen Gelehrten. So erfuhren die Besucher der Citykirche „Zur Nacht“, dass Reuchlin hier einst im Knabenchor gesungen hat. Und auch über seinen Streit mit dem Mönch Pfefferkorn, der aufrief, jüdische Schriften zu verbrennen, berichtete er.

Auf Spurensuche

Reuchlin lud die Gäste ein, die Kirche besser kennenzulernen und dem Erzengel Michael, Margaretha und dem Marktgraf zu begegnen. Im Eingangsbereich nahm sie Michael Pott als Erzengel, dem Namensgeber der Schlosskirche St. Michael, in Empfang. Nach Erzählungen über den deutschen König Otto I. deutete er auf ein Bild des Erzengels im Eingangsbereich. „Stellen Sie sich vor, es gab schon Nächte, da stand diese Türe sperrangelweit offen“, sagte der Engel. „Aber ich hatte aufgepasst, lag vor der Türe mit meinem Speer.“
In der Margarethenkapelle begegneten die Besucher der Margaretha von Pforzheim, die im Jahr 1260 mit sieben Jahren in der Enz ums Leben kam. Melanie Kalcher verkörperte das Kind, dessen Sarg einst in der Schlosskirche stand. Laut Legende wurde Margaretha von Juden ermordet, in der Enz versenkt und dort von Flößern entdeckt. „Wesentliche Teile der jüdischen Bevölkerung wurden kollektiv für meinen Tod verantwortlich gemacht und hingerichtet“, sagte Kalcher in ihrer Rolle. „Diese Geschichte dokumentiert zum einen die Existenz einer Judengemeinde in Pforzheim im 13. Jahrhundert zum an-deren das erste Judenpogrom der Stadt.“

Begegnung mit dem Markgraf

Im Chor begegneten die Besucher dem Markgrafen Karl II, der im Jahr 1529 in Pforzheim geboren wurde, dargestellt von Alexander Weber. Er erzählte die Geschichte seiner Eltern, Markgraf Ernst I. von Baden-Durlach und Ursula von Rosenfeld und machte auf ihr Grabmal in der Schlosskirche aufmerksam. Die Texte für Markgraf, Erzengel Michael und Reuchlin stammten von Pfarrerin Heike Reisner-Baral, den Text der Margaretha hatte Darstellerin Melanie Kalcher geschrieben. Zum Auftakt und zum Abschluss des Abends sang Schola Gregoriana von der Stuttgarter Domkirche St. Eberhard. Das Ensemble hat es sich zur Aufgabe gemacht, den gregorianischen Choral lebendig zu halten. Ähnlich dürfte es geklungen haben, als es in der Schlosskirche noch Stiftschorherren gab.

Claudia Keller, PZ

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