Nachts in der Schloßkirche

Menschen im Museum Johannes Reuchlin

Pforzheimer Zeitung vom 02.07.2022:

Geschichtsstunde live zu später Stunde bei „Zur Nacht“ der Citykirche. Schauspieler, Sänger und Musiker schlüpfen in historische Rollen.

Johannes Reuchlin ist am Freitagabend in der Pforzheimer Schlosskirche erschienen. Vier Darsteller vom Kulturhaus Osterfeld und die Musik von Schola Gregoriana aus Stuttgart haben den Besuchern eine Reise in längst vergangene Zeiten ermöglicht.
„Seid gegrüßt frommes Volk. Zu so später Stunde noch in meiner Schlosskirche?“, so Johannes Reuchlin, der vom Lettner herab die knapp 30 Besucher begrüßte. In der Rolle von Reuchlin erzählte Peter Lauber aus Leben des in Pforzheim geborenen Gelehrten. So erfuhren die Besucher der Citykirche „Zur Nacht“, dass Reuchlin hier einst im Knabenchor gesungen hat. Und auch über seinen Streit mit dem Mönch Pfefferkorn, der aufrief, jüdische Schriften zu verbrennen, berichtete er.

Auf Spurensuche

Reuchlin lud die Gäste ein, die Kirche besser kennenzulernen und dem Erzengel Michael, Margaretha und dem Marktgraf zu begegnen. Im Eingangsbereich nahm sie Michael Pott als Erzengel, dem Namensgeber der Schlosskirche St. Michael, in Empfang. Nach Erzählungen über den deutschen König Otto I. deutete er auf ein Bild des Erzengels im Eingangsbereich. „Stellen Sie sich vor, es gab schon Nächte, da stand diese Türe sperrangelweit offen“, sagte der Engel. „Aber ich hatte aufgepasst, lag vor der Türe mit meinem Speer.“
In der Margarethenkapelle begegneten die Besucher der Margaretha von Pforzheim, die im Jahr 1260 mit sieben Jahren in der Enz ums Leben kam. Melanie Kalcher verkörperte das Kind, dessen Sarg einst in der Schlosskirche stand. Laut Legende wurde Margaretha von Juden ermordet, in der Enz versenkt und dort von Flößern entdeckt. „Wesentliche Teile der jüdischen Bevölkerung wurden kollektiv für meinen Tod verantwortlich gemacht und hingerichtet“, sagte Kalcher in ihrer Rolle. „Diese Geschichte dokumentiert zum einen die Existenz einer Judengemeinde in Pforzheim im 13. Jahrhundert zum an-deren das erste Judenpogrom der Stadt.“

Begegnung mit dem Markgraf

Im Chor begegneten die Besucher dem Markgrafen Karl II, der im Jahr 1529 in Pforzheim geboren wurde, dargestellt von Alexander Weber. Er erzählte die Geschichte seiner Eltern, Markgraf Ernst I. von Baden-Durlach und Ursula von Rosenfeld und machte auf ihr Grabmal in der Schlosskirche aufmerksam. Die Texte für Markgraf, Erzengel Michael und Reuchlin stammten von Pfarrerin Heike Reisner-Baral, den Text der Margaretha hatte Darstellerin Melanie Kalcher geschrieben. Zum Auftakt und zum Abschluss des Abends sang Schola Gregoriana von der Stuttgarter Domkirche St. Eberhard. Das Ensemble hat es sich zur Aufgabe gemacht, den gregorianischen Choral lebendig zu halten. Ähnlich dürfte es geklungen haben, als es in der Schlosskirche noch Stiftschorherren gab.

Claudia Keller, PZ